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Übergabe des Foderungsschreibens von Sachsen fürs Klima am 21.05.2021

Stellungnahme zum Energie- und Klimaprogramm (EKP) des Freistaates Sachsen

Endlich! Am 1. Juni 2021 wurde das seit Langem angekündigte Energie- und Klimaprogramm für den Freistaat Sachsen (EKP 2021) beschlossen, eines der wichtigsten Projekte der Regierungskoalition. Wir, die Initiator:innen von Sachsen fürs Klima und des Forderungsschreibens an die Sächsische Staatsregierung, beziehen hiermit zum EKP 2021 Stellung.

Wir haben uns für Euch intensiv mit dem EKP 2021 auseinandergesetzt. Denn aus unserer Sicht ist es wichtig, dass alle in Sachsen über dieses wichtige Instrument unserer Landesregierung Bescheid wissen. Schließlich braucht es jetzt jede Menge politischen Druck, gesellschaftliches Engagement und Gestaltungsfreude, damit nicht nur das EKP 2021 Realität wird, sondern darüber hinaus auch der Weg hin zu einem klimaneutralen Sachsen 2035 frei wird. Aber wer hat schon die Zeit, das über 100-seitige EKP 2021 in allen Details zu studieren? Deswegen haben wir für Euch die wichtigsten Aussagen zusammengestellt, auf die sich die Koalitionspartner CDU, B90/GRÜNE und SPD geeinigt haben. Denn daran werden sie sich in den kommenden Jahren messen lassen müssen:

Mit vielen Themenfeldern haben sich Expert:innen von uns im Detail befasst. Für einen bereichsspezifischen Austausch zu Inhalten – und Lücken – stehen wir gerne zu Verfügung. Kontakt über hallo@sachsenfuersklima.de.

Bevor Ihr jetzt in die Lektüre einsteigt, fragt Ihr Euch vielleicht, was wir gemeinsam tun können, um die schnelle Umsetzung des EKP 2021 im Rahmen unseres Engagements zu befördern. Wir haben da folgende Ideen:

  • Die wichtigsten Aussagen immer wieder in den öffentlichen Diskurs und Politiker:innengespräche einbringen.
  • Regelmäßig die aktuellen Stände zu Aussagen und Maßnahmen abfragen.
  • Die Erstellung des noch ausstehenden Maßnahmen-Plans begleiten.

Und jetzt: Viel Freude beim Lesen! 😉

Stellungnahme zum Energie- und Klimaprogramm 2021

Inhalt:

Zielangaben EKP 2021

Es wird weder ein Gesamtziel noch werden Sektorenziele für Sachsen jetzt angegeben. Es wird auf die nationalen Ziele verwiesen, aus denen dann die sächsischen Ziele – auch die Sektorenziele – abgeleitet werden sollen. Von zentraler Bedeutung ist hier die Aussage im EKP 2021 auf S. 101: „Im Freistaat Sachsen leistet der Energiesektor durch den vereinbarten Ausstieg aus der Braunkohleverstromung einen überproportionalen Beitrag zur Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgase. Um die Wettbewerbsfähigkeit in den Bereichen Industrie, Wohnen, Verkehr und Landwirtschaft zu sichern, müssen auch diese Sektoren in ihrer Gesamtheit die deutschlandweiten Klimaziele erreichen. Wir werden diese Zielsetzung für Sachsen unverzüglich konkretisieren, sobald die dazu notwendigen Maßnahmenpläne und Programme auf Bundesebene vorliegen.“ Hier muss der gesellschaftliche und politische Druck aufrechterhalten werden, denn: Die Sektorenziele müssen kommen! Hier wird die wichtige Aussage getroffen, dass Sachsen trotz der gesetzten Emissionsminderungen, die sich durch den Kohleausstieg hier ergeben, die anderen Sektoren nicht vernachlässigen kann und darf! Auch Sachsen hat die Verantwortung zu einer schnellen Wende in den Bereichen Verkehr, Wärme und Landwirtschaft – zumal diese Bereiche z. T. viel schwieriger zu dekarbonisieren sind, wie die Emissionsentwicklungen auch anschaulich zeigen: Erneuerbare Energieträger in Sachsen in den einzelnen Anwendungsbereichen werden noch sehr unterschiedlich genutzt: Sie decken 25,2 % des Bruttostromverbrauchs, 14,0 % des Wärmeverbrauchs und 3,7 % des Energiebedarfs im Verkehr (EKP S. 47). Wenn Sektorenziele festgelegt sind, muss deren Erreichung zwingend durch einen wirksamen (Sanktions-)Mechanismus kontrolliert werden.

Widersprüche

Das EKP 2021 bekennt sich direkt am Anfang zu den Pariser Klimaschutzzielen (EKP S. 8), weicht diese aber gleich auf, indem nur noch „deutlich unter 2 Grad“ benannt wird, statt die 1,5-Grad Grenze anzuführen. Außerdem wird an keiner Stelle ein Rest-Budget oder eine Restemissionsmenge erwähnt! Stattdessen wird an selber Stelle auf die EU- und die deutschlandweiten Klimaziele verwiesen – welche zu den Pariser Zielen im Kontrast stehen und nicht ausreichend sind, um diese einzuhalten. Das EKP 2021 ist daher nicht mit dem Paris-Abkommen und dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.04.21 vereinbar, weil es die – rechtsverbindliche – Grenze von 1,5 Grad nicht mehr anstrebt. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet auch die Landesregierungen zu konkreten Schritten nach 2030 oder zumindest zu einem zeitlichem Fahrplan, wann diese erstellt werden. Somit ist im EKP 2021 im jetzigen Stand der vom Bundesverfassungsgericht kürzlich festgestellten notwendigen Sicherung der Freiheitsrechte künftiger Generationen nicht ausreichend Rechnung getragen.

Viel zu ungenau

Viele Maßnahmen stehen unter Vorbehalt („wenn möglich“, „prüfen“, „werden uns einsetzen“). Darüber hinaus fehlen bei den meisten Aussagen jegliche Zielangaben. Diese verlieren dadurch z. T. komplett die  Bedeutung. Im Verkehr ist angegeben, dass der Anteil des Umweltverbundes (ÖPNV, Radverkehr) „steigen“ und in den Städten die Anzahl der individuellen Kraftfahrzeuge „sinken“ soll. Es gibt keinerlei Angabe, ob damit nun 5 Prozent, 40 Prozent oder 90 Prozent gemeint sind (EKP S. 66)! Das gilt für viele Aussagen in anderen Bereichen. Auch hier wird man dem Anspruch, Ziele vorzugeben und damit Planungssicherheit herzustellen, nicht gerecht! Wir fragen uns, an welcher Stelle diese Präzisierung erfolgen soll. Zumal Teile dieser Aussagen, z.B. zum Radverkehr, im Koalitionsvertrag klarer und deutlich ambitionierter getroffen wurden. Wie kann es sein, dass das EKP 2021 hinter dem Koalitionsvertrag zurückbleibt? Hier sind natürlich auch unsere Vorbehalte gegenüber den Maßnahmen, die im Maßnahmenplan bis Ende 2021 benannt werden sollen, entsprechend groß.

Strategie des EKP 2021

Ausbau der Erneuerbaren Energien

Einzig beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind konkrete Ziele benannt. So wird als Zwischenziel ein Zubau von 4 TWh bis 2024 und bis 2030 ein Zubau von 10 TWh benannt, die vorrangig aus Wind und PV kommen sollen (EKP S. 47). Auch unterstützende Maßnahmen werden benannt, bleiben aber wieder unkonkret und unverbindlich. Die Rechnung ist eindeutig: Deutschland hat momentan ca. 600 TWh Stromverbrauch pro Jahr. Bis 2045 werden das bei kompletter Klimaneutralität durch Sektorkopplung mind. 1200 TWh sein. Sachsen hat ca. 4 Mio Einwohner, also 5% von Deutschland. Damit sollte Sachsen auch 5% der Energieversorgung beisteuern. Das wäre für 100% erneuerbar in 2045 dann 60 TWh – das ist weit weg von den Zielen im EKP 2021. Und das bei der klaren Aussage an mehreren Stellen im EKP, dass Sachsen auch in Zukunft „Energieland“ bleiben soll! Insbesondere wird dem großen Bedarf der Industrie nach grünem Strom keine Rechnung getragen mit fatalen Folgen für den Wirtschaftsstandort. Hier passen Ziel und Weg einfach nicht zueinander – das muss thematisiert werden. Somit ist eine der wichtigsten und zugleich mutigsten Aussagen des EKP 2021 – die wir begleiten müssen -, dass bis zum Jahr 2024 die planerischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden sollen, dass der Freistaat Sachsen nach dem Ende der Braunkohlenutzung seinen Strombedarf bilanziell vollständig mit erneuerbaren Energien decken kann. (EKP S. 47)

Erdgas

Hierzu sagt das EKP 2021: „Die sächsische Erdgaswirtschaft wird damit in den nächsten Jahrzehnten beim Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und für die Bezahlbarkeit der Energiewende leisten.“ (EKP, S. 46). Erdgas ist als (Übergangs-)Energieträger „auf Jahrzehnte“ nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar –  höchstens bis 2035. Brückentechnologien dürfen nicht ausgebaut bzw. verfestigt werden und damit zu Risiken von sog. „Lock-In“-Effekten führen. Damit genau das nicht passiert, müssen Maßnahmen genauestens darauf geprüft, bewertet und dokumentiert werden. Aufgrund von Methanemissionen bei Förderung und Transport hat Erdgas einen ähnlich schlechten Footprint wie Braunkohle. Ein Ausbau der Gasinfrastruktur darf immer nur so vorgenommen werden, dass ein nahtloser Übergang zu erneuerbar erzeugtem Wasserstoff oder anderen Gasen aus Power-to-Gas-Anlagen möglich ist, ansonsten erreichen wir keine THG-Neutralität oder wir bauen Invest-Ruinen! Den Erdgas-Ausstieg wird dann die Gesellschaft wieder subventionieren dürfen.

Wasserstoff

Wasserstoff wird im zukünftigen erneuerbaren Energiesystem eine wichtige Rolle einnehmen. Richtig ist auch die Feststellung im EKP Kap. 3.3, dass nur grüner Wasserstoff die einzig nachhaltige Lösung ist. Zum Testen von Technologie ist auch grauer Wasserstoff in kleinen Mengen erforderlich. Es wird aber suggeriert, dass „andere“ Wasserstoffarten eine Übergangstechnologie sind. Dem ist nicht so, es ist weder umweltfreundlich noch wirtschaftlich. Für den Ausbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft wird das Siebenfache an erneuerbaren Energie benötigt als bei direkter Nutzung des Stroms aus erneuerbaren Energien. Der jetzt geplante Ausbau von Wind und Solarenergie ist viel zu gering dafür. Dies wurde auch in einer Studien von Fraunhofer Instituten zur Betrachtung des Wasserstoffpotentials in Leipzig ausgeführt.[3] Ansonsten wird für die Wasserstoff-Elektrolyse zusätzlich Strom aus den vorhandenen Kraftwerken benötigt und so eine Verlängerung der Laufzeit von Kohlekraftwerken bewirkt. Mit dem zu zögerlichen Ausbau der erneuerbaren Energien kann sich der Freistaat auch eine nachhaltige Wasserstoff-Strategie blockieren – zumal die durch die Bundesregierung geförderten Wasserstoff-Projekte an grünen Strom gekoppelt sind!

Sonstige Strategie

Weiterhin wird von keiner wesentlichen Zunahme des Stromverbrauchs in Sachsen bis 2030 ausgegangen. Wurden hier die Zunahmen in der E-Mobilität, von Wärmepumpen, der Produktion von grünem Wasserstoff und der zunehmenden Gebäudeklimatisierung vergessen oder gibt es erwartbare Verbrauchsreduzierungen an anderen Stelle? (Bewusste oder unbewusste?) Fehlprognosen können zu einer verminderten Zubaunotwendigkeit bei EE-Anlagen führen. Einsparpotentiale werden nicht benannt.

Lücken des EKP 2021

Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem „Klima-Urteil“ ausdrücklich ein Restbudget für Treibhausgas-Emissionen durch Deutschland anerkannt hat, um die Pariser Ziele einhalten zu können, fällt das Fehlen des Begriffs „Budget“ im gesamten Programm doppelt auf. Durch die Kopplung an die bundesdeutschen Ziele bleibt zu hoffen, dass nach Erarbeitung von Sektorenzielen und Maßnahmen durch eine neue Bundesregierung auch die Orientierung am Restbudget auf Bundesebene erfolgt und dadurch mittelbar für Sachsen Gültigkeit erlangt.

Im gesamten EKP fehlt der Begriff „Rebound-Effekt“[1]. Das ist im Bereich der Energie, aber vor allem auch im Bereich Mobilität bedenklich. So hat gerade der Rebound-Effekt viele bis nahezu alle Effizienz- und Ressourcenschonungseffekte in der Entwicklung der letzten Jahrzehnte „aufgefressen“ und keinen Effekt auf die Emissionen gezeigt. Es ist also überhaupt nicht gesichert, dass man mit Effizienzmaßnahmen Klimaschutz im Sinne einer pariskonformen Emissionsreduktion erzielen kann. Das legt das EKP 2021 selbst in folgender Aussage sehr anschaulich dar: Die Sektoren Industrie sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (nachfolgend: Gewerbe) verursachen gemeinsam etwa 42 % des Endenergieverbrauchs im Freistaat Sachsen (Stand 2018). Obwohl sich die Energieeffizienz stark verbessert hat, ist der absolute Endenergieverbrauch in den vergangenen zehn Jahren in beiden Sektoren deutlich angestiegen (EKP 2021, S. 62). Es ist daher problematisch, dass sich die Strategie „Effizienz“ durch das gesamte EKP 2021 zieht, aber das Problem nicht adressiert. Um verantwortungsvoll zu handeln, müssen alle Maßnahmen in der Planung und Durchführung auf Rebound-Effekte untersucht werden! So ist auch z. B. eine Beschleunigung des Verkehrs – abseits des Rad- und Fußverkehrs – keine Klimaschutzmaßnahme, wenn sie zu einem Mehr an (nicht zwingend notwendigen) Fahrten führt!

Die Vermeidung klimaschädlicher Vorhaben des Freistaates, z. B. der Verzicht auf den Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle oder den Ausbau der A4 fehlen gänzlich. Auch z. B. der staatliche Verzicht auf gesetzliche Abgaben bei der Grundwasserförderung für den Braunkohlebergbau wird nicht erwähnt.

Im Bereich Landwirtschaft fehlen Aussagen zu einer starken Reduzierung der Tierhaltung, die überall – auch in Sachsen – notwendig sein wird.

Das komplette Thema „Wärme und Gebäude“ wird sehr dürftig behandelt. Es fehlen Aussagen, um der Zersiedelung und dem Flächenverbrauch baurechtlich entgegenzuwirken. Planungstechnische Vorgaben für Energieeinsparmaßnahmen, Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung in der Bauwirtschaft fehlen ganz. Es fehlen Festlegungen und Förderungen für die Erreichung des Niedrig- oder Nullenergiestandards für Wohn-, Geschäfts- und Industriegebäude. Lediglich der prozentuale Stand der Heizungsanlagen wird beschrieben, aber keine Aussage getroffen, wie der Ausbau mit energiesparenden Heizungsanlagen verbessert werden kann. Weder soll die Zulassung von ölbasierten Heizungen begrenzt noch Fernwärmeversorgungsnetze nachhaltiger gestaltet werden. Beim Ausbau von Wärmenetzen und deren Dekarbonisierung wird nicht auf die dringend notwendigen deutlichen Temperatursenkungen in bestehenden Wärmenetzen eingegangen.

Die Entwicklung des Flugverkehrs wird nicht betrachtet. Dieser ist für den globalen Klimaschutz sehr bedeutsam. Auf die beiden Verkehrsflughäfen in Sachsen hat der Freistaat als Haupteigentümer bestimmenden Einfluss.

Das EKP 2021 erkennt an, dass Städte und Kommunen zwingend Unterstützung bei Klimaschutzmaßnahmen brauchen (EKP S. 30). Das Ziel, Klimaschutz zur Pflichtaufgabe für Kommunen zu machen, taucht im EKP 2021 allerdings nicht auf. Es kann nicht sein, dass Kommunen verpflichtet sind, Straßen zu bauen – aber nicht dazu, die Bürger:innen vor einer der größten Bedrohungen der Menschheitsgeschichte zu bewahren. Aus dem „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich, dass Klimaschutz grundrechtsrelevant und damit auch von den Kommunen verbindlich zu beachten ist. Letztlich handelt es sich dadurch bereits qua Verfassungsrecht um eine Pflichtaufgabe für Kommunen. Mit der Nicht-Erwähnung im EKP 2021 drückt sich die Staatsregierung allerdings um die dafür notwendige finanzielle Ausstattung! Natürlich wäre das eine enorme Herausforderung. Dennoch muss diese Systemfrage gestellt werden!

Außerdem fehlt, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, die Berücksichtigung von Klimafolgekosten und das Darstellen von Kostenwahrheiten. Das Umweltbundesamt gibt für die wirtschaftliche Betrachtung der Maßnahmen einen Richtwert von 195 Euro Klimafolgekosten pro Tonne CO2, welche die Gesellschaft schon heute trägt.[2] Dies muss Berücksichtigung finden. Die Scientists For Future haben dargelegt, dass die Kosten eines klimaverträglichen Energiesystems mittel- bis langfristig nicht hö­her sind, als im derzeitigen System.[4]

Prämissen und Begrifflichkeiten des EKP 2021

Das EKP 2021 bedient in den Leitlinien mehrfach die Sichtweise, dass Klima- und Umweltschutz auf der einen Seite, aber Versorgungssicherheit, Wohlstand, Wirtschaft etc. auf der anderen Seite stehen würden – diese Trennung ist irreführend.

Es gibt keinen Widerspruch – oder kein Spannungsfeld – z. B. zwischen Wirtschaft und Klimaschutz, denn sie sind untrennbar miteinander verbunden. Vielmehr ist der Ausbau erneuerbarer Energien mittlerweile ein knallharter Standortfaktor, für Unternehmen und für Kommunen. Betreiben wir keinen Klimaschutz, entziehen wir auch der Wirtschaft – und damit unserer Versorgung – die Grundlagen. Der Wettbewerb um Ansiedelung an Orten mit grüner Energieversorgung ist bereits ausgebrochen. Für Unternehmen ist es – nicht erst seit dem niederländischen Urteil gegen einen Energieriesen – Marketing- und Geschäftsgrundlage, mit grüner Energie zu wirtschaften. Und nach dem EEG 21 ist Windenergie für Kommunen eine lukrative Einnahmequelle! Warum die Staatsregierung hier kleckert statt zu klotzen, ist kaum nachvollziehbar.

Zudem ist es nicht gerecht, wenn Unternehmen durch ein auf fossilen Energieträgern basierendes Geschäftsmodell wirtschaftliche Gewinne erzielen, der entstehende Schaden aber vergemeinschaftet wird (z. B. in Form von Kosten für Hochwasserschutz, Waldumbau etc.). Die Entscheidung, die wir treffen müssen, ist nicht zwischen Wirtschaft und Klimaschutz, sondern ob wir nur kurzfristig und lokal wirtschaften wollen oder langfristig, global und volkswirtschaftlich. Und jedes Unternehmen muss jetzt innerhalb einer sinnvollen Frist nachweisen können, dass es ein zukunftsverträgliches Geschäftsmodell vorweisen kann, das langfristig der Einheit Wirtschaft, Mensch und Natur nutzt – oder zumindest nicht schadet. Diese Diskussion müssen wir führen, und nicht über eine künstlich erdachte Trennung oder Widerspruch zwischen Klimaschutz und Wirtschaft.

Auch ist an vielen Stellen von Bezahlbarkeit (z. B. Energieversorgung) die Rede, aber die Begriffe „Kostenwahrheit“ und „Klimafolgekosten“ kommen im gesamten Programm nicht vor – das lässt den Begriff „Bezahlbarkeit“ eindimensional zurück und erzählt einfach nur die halbe Wahrheit. Das Ziel darf jetzt nicht sein, dass Klimaschutzmaßnahmen bezahlbar bleiben – sondern dass die Klimakrise bezahlbar (und zwar nicht nur monetär) bleibt! Die Kommunikation dieser Zusammenhänge – explizit „Kostenwahrheit“ und „Klimafolgekosten“ (der Gesellschaft) sind essentiell auch für die Akzeptanzbildung in Gesellschaft, Politik und Verwaltung – die im EKP 2021 als zentrale Aufgabe aufgeführt wird!

Irritierend ist die Aussage: „Wir setzen auf Freiwilligkeit, nicht auf Ordnungsrecht sowie auf entsprechende Informationen und eine transparente Kommunikation.“ (EKP 2021, S. 31) Wir erwarten, dass der Freistaat seiner Verantwortung gerecht wird, und sinnvolle Regeln aufstellt, um diejenigen zu unterstützen, die den Transformationsprozess aktiv mitgestalten wollen – und damit die nachfolgenden Generationen vor den Folgen eines irreversiblen Klimawandels zu schützen. Es geht bei Klimaschutz nicht um Verbote, sondern um sinnvolle Regeln. Genauso wie es auf Straßen Ampeln gibt, die eben kein „Durchbrettern“ erlauben, sondern Menschenleben schützen. Sinnvolle Regeln müssen selbstbewusst kommuniziert werden – ohne sich auf die Verbotsdebatte einzulassen!

Stark im EKP 2021 ist, dass sehr konkret, anschaulich und bereichsspezifisch über das gesamte Konzept hinweg die lokalen Auswirkungen und Risiken der Klimakrise beschrieben werden. So kann keiner der Koalitionspartner mehr sagen, dass er davon nichts wisse. Diese Inhalte müssen jetzt aber endlich auch konsequent an die Bevölkerung und an die Mitarbeitenden in den sächsischen Behörden kommuniziert werden! Das Sensibilisieren für Chancen, welche die Klimawende in vielen Bereichen ebenso bietet, ist auch wichtig – reicht aber nicht aus. Wir erwarten daher eine klare Vermittlung von Klimafakten durch die Behörden der Landesregierung an die Öffentlichkeit.

Fazit

Positiv zu bewerten im EKP 2021 sind das klare Bekenntnis zur Klimaneutralität und die Bindung an die Sektorenziele auf Bundesebene, die neben dem Kohleausstieg zur Bestimmung der THG-Reduktionsziele in Sachsen herangezogen werden. Dies kann in Summe die Grundlage für einen echten Paradigmenwechsel sein. Auch die ressortübergreifende Herangehensweise an die Themenfelder Klimaschutz, Ausbau der erneuerbaren Energien und Klimafolgenanpassung bereitet eine solide Grundlage für stringente Lösungen. Lobenswert zu erwähnen ist ebenfalls die umfangreiche Darstellung der lokalen Auswirkungen und Risiken des Klimawandels mit konkretem Bezug auf Sachsen. Und positiv sind auch die vielen Angaben dazu, wie sich Sachsen nun auf anderen Ebenen einsetzen will, um die Rahmenbedingungen für Sachsens Klimaneutralität zu schaffen.

Dennoch ist zu konstatieren: Mit den viel zu geringen Ambitionen beim Ausbau der Erneuerbaren bleibt es weit hinter dem eigenen Anspruch zurück. Damit verfehlt es das Pariser Abkommen, ist mit dem Grundrechtsverständnis des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar und behindert eine dynamische Entwicklung grüner Energie am Wirtschaftsstandort Sachsen.

Wichtig ist, die zentralen Aussagen im EKP 2021 jetzt beim Wort zu nehmen. Dabei sind vor allem drei Zielsetzungen wichtig:

1. Schnelle Erarbeitung des angekündigten, ressortübergreifenden Maßnahmeplans der Sächsischen Staatsregierung bis Ende 2021.

2. Zügige Umsetzung des „EKP 2021“, wobei die Maßnahmen nach THG-Minderungs-Potenzial sowie nach maßnahmenspezifisch sinnvollen Zeitfenstern zu priorisieren sind.

3. Politischer, gesellschaftlicher und ggf. juristischer Druck, um die unzureichenden und zum Teil verfassungswidrigen Zielsetzungen des „EKP 2021“ pariskonform zu korrigieren.

Im Ergebnis muss es gelingen, dass das EKP 2021 eine Dynamik entfacht, die den Transformationsprozess deutlich beschleunigt und dadurch auf sächsischer Ebene zur Einhaltung des Pariser Abkommens führt. Daher bleibt zu hoffen, dass der im EKP 2021 angekündigte Maßnahmenplan zügig erstellt und die Lücken des EKPs 2021 füllen wird.


Louise Hummel-Schröter
Bettina van Suntum
Wilhelm Stein
Kerstin Kranich

und weitere der Initiator:innen von Sachsen fürs Klima

Weiterführende Quellen:

[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/oekonomische-rechtliche-aspekte-der/rebound-effekte, Stand 03.06.21

[2] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/konsequenter-umweltschutz-spart-der-gesellschaft, Stand 03.06.21

[3] https://lhyve.de/wp-content/uploads/Studie-Wasserstoffperspektiven-fuer-Leipzig-Potenzialeinschaetzung.pdf, Stand 04.06.21

[4] https://doi.org/10.5281/zenodo.4409334, Stand 04.06.21

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